Arme Alte oder abgehängte Junge – was zeigen die Daten zur „Stütze“?

21 Apr

Pressemeldung der Firma Institut für Demographie, Allgemeinwohl und Familie e.V

Der Kampf gegen Altersarmut ist das neue Thema, mit dem die „Volksparteien“ beim Wähler punkten wollen (1). Dass Altersarmut breitere Bevölkerungsschichten bedroht, ist unbestreitbar. Akut gefährdet sind Bürger mittleren Lebensalters mit einer sog. „gebrochenen Erwerbsbiographie“. Das heißt: Sie waren lange in Ausbildung, hatten oft Schwierigkeiten mit dem Einstieg auf dem Arbeitsmarkt und/oder längere Zeit der Arbeitslosigkeit zu überstehen. Trotz längerer Lebensarbeitszeit („Rente mit 67“) können sie weniger Rentenpunkte sammeln, weil ihnen Beitragsjahre fehlen. Zudem ist das ihnen erreichbare Rentenniveau, nach den Systemreformen der 1990er und 2000er Jahre, viel niedriger als das der älteren Generation.

Diese Einbußen sollen sie durch „Privatvorsorge“ ausgleichen. Ihre Anlagen bringen aber in den Zeiten niedriger Zinsen immer weniger Ertrag. Die „Riester-Rente“ funktioniert nicht wie erhofft und Lebensversicherungen sind längst ein Auslaufmodell (2). Ohnedies fehlt es vielen zum Sparen am notwendigen, hinreichend hohen Einkommen. Wie fundierte Untersuchungen zeigen, weisen die Lebenseinkommen männlicher Arbeitnehmer in den jüngeren Jahrgängen eine sinkende Tendenz auf: Westdeutsche Männer, die nach 1960 geboren wurden, erzielen, über den Verlauf des Erwerbslebens betrachtet, oft niedrigere Gehälter als die ältere Generation, die von der Prosperität der „alten Bundesrepublik“ profitierte (3). In dieser Generation ist Altersarmut  aber vor allem ein Problem von Frauen, die nicht erwerbstätig waren, weil sie Kinder erzogen haben. Dafür, dass sie die heutigen Steuer- und Beitragszahler aufgezogen haben, werden sie im Rentensystem noch bestraft: Ihre Rentenanwartschaften sind (trotz „Mütterrente“) mickrig, besonders im Vergleich zu den hohen Sozialbeiträgen ihrer (erwerbstätigen) Kinder. Mit deren Geld werden die kinderlosen Rentner unterhalten, von denen es in der Post-68er-Generation immer mehr gibt. Zwar könnte man mit Reformmodellen, z. B. des Ifo-Instituts (4), diese Ungerechtigkeit beenden. Aber für eine familiengerechte Reform interessieren sich die „Volksvertreter“ genauso wenig wie für eine Reform des Eurosystems, die das Zinsniveau normalisieren würde. Sie wollen Wahlgeschenke verteilen, um ihre ergraute Restwählerschaft zu sichern. Diesem Ziel diente schon die „Rente mit 63“, von der einseitig die jetzt ca. 60-65-Jährigen profitieren, die Jüngeren sollen erst mit 67 in Rente gehen. Nun sollen sie auch noch weitere Rentengeschenke finanzieren, obwohl sie auf ihre – oft bescheidenen – Einkommen schon jetzt rekordhohe Steuern und Sozialabgaben zahlen. Aber jüngere Erwerbstätige sind in der überalterten Wählerschaft eine Minderheit, deren Interessen für die Politik nicht mehr relevant zu sein scheinen (5).

Anlass für die jüngsten Rentenerhöhungsforderungen war eine Mitteilung des Statistischen Bundeamts, die eine gestiegene Zahl von Beziehern der sog. „Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung“ (SGB XII) zeigt. Mehr als eine Million Menschen beziehen diese Leistung. Seit der Einführung dieser Leistung 2003 hat sich ihre Zahl damit mehr als verdoppelt (6). Zweck dieser Sozialhilfeleistung ist es, Menschen abzusichern, die nicht „erwerbsfähig“ sind, während sich das „Hartz-IV“-System (SGB II) an Erwerbsfähige richtet. Zu den „Nichterwerbsfähigen“ im Grundsicherungssystem zählen Menschen im Rentenalter, deren Zahl von unter 260.000 (2003) auf über 500.000 (2015) gestiegen ist (7). Das lässt sich als ein Zeichen für steigende Altersarmut verstehen. Wer das tut, müsste allerdings auch über wachsende Armut in der jüngeren und mittleren Generation sprechen. Denn die Zahl der Bezieher von Grundsicherung im Alter von 18 Jahren bis zur Rentenaltersgrenze ist von unter 200.000 auf fast 500.000 Menschen gestiegen. Setzt sich diese Entwicklung weiter fort, dann werden schon bald mehr Menschen unter 65 Jahren Grundsicherung beziehen als Rentner.

Dieser Negativtrend kann ganz verschiedene Ursachen haben. Zum Beispiel zunehmende Erwerbsunfähigkeit durch (vor allem psychische?) Erkrankungen, oder eine verschlechterte Versorgung bei Invalidität (Kürzungen der Berufsunfähigkeitsversicherung) und nicht zuletzt die Zuwanderung in die Sozialsysteme (8). Wer analysiert die Probleme, wer entwickelt Heilmittel, wer kuriert sie? Die Rentenlobbyisten werden es nicht sein. 

(1)   Zur aktuellen Debatte: Mehr alte Menschen beziehen Stütze, FAZ vom 19.04.2016, http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/was-wird-aus-der-rente/altersarmut-im-fokus-der-renten-debatte-in-deutschland-14187150.html.

(2)   Kritisch zur Niedrigzinspolitik der EZB: Nachricht der Woche vom 06.02.2013: Euro und Rente: Transferunion hat mit Solidarität nichts zu tun, http://www.i-daf.org/aktuelles/aktuelles-einzelansicht/artikel/euro-und-rente-transferunion-hat-mit-solidaritaet-nichts-zu-tun.html.

(3)   Vgl.: Timm Bönke/Holger Lüthen: Lebenseinkommen von Arbeitnehmern in Deutschland: Ungleichheit verdoppelt sich zwischen den Geburtsjahrgängen 1935 und 1972, DIW Wochenbericht Nr. 49.2014, S. 1275 ff.

(4)   Siehe hierzu: Nachricht der Woche vom 10.12.2015: Generationengerechtigkeit, Kinder und Rente http://www.i-daf.org/aktuelles/aktuelles-einzelansicht/archiv/2015/12/10/artikel/generationengerechtigkeit-kinder-und-rente.html.

(5)   Scharf formuliert, aber im Kern zutreffend kommentiert in dieser Richtung: Dorothea Siems: Diese Regierung plündert die Jungen aus, http://www.welt.de/154528482.

(6)   Vgl.: Immer mehr Grundsicherungsempfänger (Abbildung).

(7)   Vgl.: Mehr arme Alte und abgehängte Jüngere (Abbildung).

(8)   Dafür spricht, dass die Zahl der Grundsicherung beziehenden Ausländer prozentual noch deutlich stärker gestiegen ist als die der deutschen Leistungsbezieher. Vgl.: Immer mehr Grundsicherungsempfänger (Abbildung). Beachtung verdient auch die Tatsache, dass die Zahl der männlichen Grundsicherungsbezieher sich fast verdreifacht hat, damit deutlich stärker gestiegen ist als die der weiblichen Leistungsbezieher. Vgl.: Grundsicherungsbezug nach Geschlecht (Abbildung).



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