Ambivalentes Urteil
21 Jul
Das Urteil zum Betreuungsgeld ist, trotz des einstimmigen Votums, ambivalent. Zwar ist die Kompetenzzuweisung an die Länder nicht zu beanstanden, Kinderbetreuung ist Ländersache und nach dem Kinder-und Jugendhilferecht (SGB VIII) eine kommunale Aufgabe. Und für die Finanzausstattung der Kommunen sind die Länder verantwortlich. Es gab übrigens auch vor Beginn der Krippenoffensive vor zehn Jahren eine Diskussion unter Fachleuten darüber. Aber nach der Einführung vor allem der Krippen-Förderung gab es eben keine Kläger – auch Hamburg nahm das Fördergeld für die Krippen gern – , so daß das Gesetz seinen Lauf nahm. Bis jetzt. Das Urteil aus Karlsruhe stellt de facto mit dem Betreuungsgeld nun auch die Kita-Förderung durch den Bund infrage. Sollte es da einen Kläger geben, etwa die Landesregierung Bayerns, müsste auch hier der Bund von der Förderung entlastet werden. Das ist der Hebel, den Bayern ansetzen kann, um sein bayerisches Betreuungsgeld zu finanzieren.
Das Urteil ist aber auch deshalb ambivalent, weil die Richter nicht diesen formaljuristischen Kompetenzpfad, sondern einen anderen inhaltlichen Argumentationsweg hätten gehen können, und zwar den Weg ihrer Vorgänger in Karlsruhe. 1999 hatte das oberste Gericht im sogenannten Betreuungsurteil verkündet, dass "die Kinderbetreuung in der jeweils von den Eltern gewählten Form in ihren tatsächlichen Voraussetzungen zu ermöglichen und zu fördern" sei (BVerfGE 99, 216, 231). Es war ein Urteil für die Wahlfreiheit. Diese Wahlfreiheit sollte durch das bescheidene Betreuungsgeld wenigstens ansatzweise ermöglicht werden. Es war und ist auch eine Anerkennung der elterlichen Erziehungsleistung.
Im Kern geht es um Subsidiarität: So wie die rotgrünen Advokaten staatlicher Betreuung die professionellen Hände, von denen auch die frühere Familienministerin von der Leyen gerne sprach, vor allem bei der Fremdbetreuung sehen und so nebenher gerne pauschal Mütter und Väter verunglimpfen, so sehen die Befürworter des Betreuungsgeldes diese professionellen Hände zuerst bei den Eltern und somit auch bei der Erstzuständigkeit der Eltern für die Kindererziehung nach Art. 6 GG. Übrigens betonen auch manche Vergleichsstudien über die Qualität der Betreuung in Krippen und die Qualität der familiären Erziehung, daß es den Kindern letztlich besser bekommt, zuhause erzogen zu werden.
Dieser inhaltlichen Debatte sind die Richter ausgewichen. Dafür kann man Verständnis haben, es ist eine politische Debatte. Für die Familien aber heißt das, dass der alte Verbündete, das Bundesverfassungsgericht, gesellschaftspolitisch von der Fahne gegangen ist. Das hat natürlich mit der veränderten personalen Zusammensetzung des Gerichts zu tun und man sollte auch nicht so tun, als seien Richter neutrale Wesen. Die Zusammensetzung kann sich auch mal wieder ändern. Heute muss man konstatieren: Die Lobby für Familien ist in Deutschland eben ziemlich schwach. Das wird auch die CSU erfahren, wenn es darum geht, ob das bayerische Betreuungsgeld vom Bund bezahlt werden soll oder nicht. Interessant wird sein, wie die CDU in den Ländern dazu steht, etwa in Nordrhein-Westfalen, wo es die meisten Empfänger des Betreuungsgeldes gibt. Die inhaltliche Debatte ist mit der Entscheidung aus Karlsruhe noch keineswegs beendet.
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