Langjährige demographische Ignoranz: Geburtenförderung war tabu
25 Jul
Seit dem Erscheinen der 4. koordinierten Bevölkerungsvorausschätzung (1973/1974) war den Demographen klar, dass bei anhaltend niedrigem Geburtenniveau es mit und ohne Zuwanderung zu einer erheblichen Alterung der Bevölkerung nach 2010/15 kommen würde. […] Ein Ruf nach politischen Maßnahmen erscholl in den Medien freilich nicht. […] Ehe und Familie standen in gesellschaftspolitischen Beiträgen (ohne Bezug zur Demographie) unter Beschuss als Ort der Unterdrückung der Frau. In der Bevölkerungsstatistik beispielsweise wurde – als Reaktion auf die veröffentlichte Meinung – der Begriff „Haushaltsvorstand“ durch „Bezugsperson“ abgelöst, das Konzept der „unvollständigen Familie“ durch „Ein-Eltern-Familie“ ersetzt. Alles, was im Entferntesten nach Bevölkerungspolitik „roch“, wurde in den Medien entschieden abgelehnt. Das galt vor allem für die Förderung der Hausfrau und Mutter oder die Besteuerung der Kinderlosen, die von verschiedenen Seiten als Gegenmittel empfohlen wurden.
Charlotte Höhn: Bevölkerungsforschung und demographischer Wandel – zur politischen Würdigung der Demographie seit den 1970er Jahren, S. 73-98, in: Festschrift für Prof. em. Dr. Rainer Mackensen – Zeitschrift für Bevölkerungswissenschaft 1-2/2007, Wiesbaden 2007, S. 73, S. 78-79.
Anmerkung: Frau Prof. Charlotte Höhn war von 1988 bis 2008 Direktorin des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung.
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